Du hast einen vollen Kleiderschrank, aber nichts anzuziehen? Du willst weniger Zeit vor dem Spiegel auf der Suche nach dem richtigen Outfit verbringen? Mode interessiert Dich null, Du willst aber trotzdem gut angezogen sein? Oder Mode interessiert Dich sehr, Du willst aber weniger Geld für Kleidung ausgeben? Und überhaupt, möchtest Du minimalistischer Leben? Dann habe ich was für Dich: Die Capsule Wardrobe. Zu deutsch: Kleiderkapsel.
Das Grundprinzip der Capsule Wardrobe
Die Capsule Wardrobe geht zurück auf Courtney, die in Ihrem Projekt 333 im Jahr 2010 ein Experiment vorstellte. 3 Monate lang mit 33 Kleidungsstücken auskommen. Die Challenge ist mittlerweile äußerst beliebt und auf Pinterest finden sich wunderschöne Beispiele für farbenfrohe und stylische Kapseln für jede Saison.
Die Regeln für Deine Kapsel
33 Teile sind erlaubt. Das beinhaltet Kleidung, Schuhe, Jacken, Schmuck und Accessoires. Nicht mitgezählt wird Sportkleidung, Unterwäsche, das Schlabberoutfit für zu Hause, Schlafanzüge und Essentials wie Deinen Ehering (so vorhanden).
Alles, was nicht zu dieser Kategorie gehört oder in der aktuellen Kapsel ist, wird in Kisten verpackt und für 3 Monate aus dem Schrank verbannt.
So kommst Du zu Deiner Kapsel
33 Teile klingt nach sehr wenig. Wie Du trotzdem vielfältige Outfits zusammen stellen kannst, das ist das Geheimnis und der Charme des minimalistischen Kleiderschranks. Ich zeige Dir, wie Du in 5 einfachen Schrritten zu Deiner persönlichen Capsule Wardrobe kommst. Und verspreche Dir, es lohnt sich.
Schritt 1: Was steht mir eigentlich?
Farbe
Schonmal von den Farbtypen gehört? Die Theorie geht auf Johannes Itten zurück, der wohl eher zufällig über das Phänomen stolperte. Man geht davon aus, dass jeder Mensch von Geburt an einen bestimmten Hautunterton hat, der sich auch nicht mehr ändert. Und auf Grundlage dieses Untertons dann einem von 4 Farbtypen zugeordnet werden kann. Im Original gab es keine Mischtypen, aber mittlerweile gibt es auch Farbsysteme, die auf 12 Farbtypen aufteilen. Ist trotzdem noch überschaubar.
Welcher Farbtyp bin ich?
Wie findest Du jetzt am schnellsten raus, was Dein Farbtyp ist? Am einfachsten ist eine Farbberatung, aber das kann ganz schön ins Geld gehen. Einen ersten Test kannst Du zu Hause machen. Wenn Du etwas mehr Zeit hast, kannst Du Dich durch verschiedene Farben und Stoffe testen, die Du zu Hause hast. Wie Du am besten vorgehst, kannst Du im Detail z.B. bei Lanie Rode in ihrem YouTube Tutorial sehen.
Du hast etwas weniger Zeit? Eine erste Idee bekommst Du so:
Farbtemperatur: Nimm Dir Alufolie, und eine dieser Wärmefolien mit einer goldenen Seite aus dem Verbandskasten. Halte sie abwechselnd bei Tageslicht und idealerweise in einer neutralen Umgebung an Dein Gesicht. Und ja, es hilft, wenn Du einen Spiegel mitnimmst. Es hilft aber noch mehr, wenn Du einen anderen Menschen dabei hast, der Dir eine Rückmeldung gibt.
Und, siehst Du einen Unterschied? Eine der Folien lässt Dich vermutlich harmonischer erscheinen. die andere betont eher Fältchen, Hautunreinheiten und Augenringe oder lässt Dich blass und rund erscheinen. Sieht silber besser aus? Dann stehen Dir eher kalte Farben. Sieht gold besser aus? Dann eher warme Farben.
Kontraste/Farbintensität: Mache ein Foto von Deinem Gesicht und Halsbereich und lege einen einfachen schwarz/weiß Filter darüber. Wie hell wirkst Du? Wie stark ist der Kontrast zwischen deinen Haaren und deiner Haut? Dem weiß Deiner Augen und der Iris usw? Je heller und weniger Kontrast Du hast, desto eher gehst Du Richtung helleren, pastellen Farben. Im Grunde kannst Du so sehen, wie viel weiß (für heller, weniger Kontrast) und schwarz (für mehr Kontrast und dunkler) deinen idealen Farben beigemischt wird.
Farbreinheit. Schau Dir Dein Foto an und schau, wie viel grau Du von Natur aus mitbringst. Wie verwaschen (absolut nicht wertend!) wirkt das Zusammenspiel aus Haaren, Haut, Augen. Je mehr grau Du selbst hast, desto mehr grau sollten auch die Farben enthalten, die Dir stehen. Und umgekehrt natürlich auch. Ein guter Test kann da auch sein, sehr leuchtende Farben und mit grau abgeblendete vor deinem Gesicht zu testen.
Das ist natürlich eine starke Verallgemeinerung und nicht mehr als eine Annäherung. Aber vielleicht hilft es ja, im Zweifelsfall die etwas bessere Variante zu entdecken. Wenn Du magst, kannst Du hier einen Online Selbsttest machen und versuchen, Dich einem Farbschema (oder einer Farbjahreszeit) zuzuordnen. Damit kannst Dir dann den passenden Farbfächer mit Deinen Farben suchen. Dabei nicht vergessen: das menschliche Auge kann viel mehr Farben sehen, als auf so einen popeligen Farbfächer passen. Dein Gefühl zählt.
Es geht bei Farben übrigens selten darum, dass eine Farbe gar nicht geht. (Wobei orange bei mir schon sehr weit oben auf der Shitlist steht.) Es geht mehr darum, das für Dich bessere grün, rot, blau, gelb zu finden. Die meisten Menschen tendieren ohnehin zu Farben, die ihnen eher stehen. Aber wenn Du Deine Farbe kennst, vermeidest Du Fehlkäufe besonders effektiv. Und das hier sind nur Tipps. Die Farbpolizei klingelt nicht, wenn Du es anders machen willst.
Schnitt
Du hast, wie ich, keine Ahnung was Dir wirklich steht? Ich wünschte ich könnte Dir sagen, was genau Du machen musst, aber ich hab es selbst noch nicht 100% raus. So ganz grob hilft es in jedem Fall Deine Körperform zu verstehen. Also bist Du ein X, ein H, ein A, oder ein V? Am besten fotographierst Du Dich selbst mit was schwarzem enganliegenden vor einem hellen Hintergrund. Dann kannst Du besser sehen, welchem Buchstaben Deine Figur am ehesten entspricht. Wenn Du das weißt, kannst Du nach Schnitten fahnden, die für Deinen Figurtyp besonders gut geeignet sind. Ein Beispiel findest du hier.
Noch elaborierter ist das Kibbe System. Auch dazu findest Du online Selbsttest – ich persönlich finde das aber alles ziemlich komplex und uneindeutig. Und so richtig geholfen hat es zumindest mir nicht. Aber vielleicht ja Dir?
Schnritt 2: Ausmisten für die Capsule- Damit Du weißt, was Du hast und nur noch hast, was Du liebst
Was hat Ausmisten mit einer Capsule Wardrobe zu tun? Naja. Alles. Das Ziel ist nur noch Lieblingsteile zu besitzen. Besteht Dein Schrank aktuell nur aus Lieblingsteilen und gut sitzenden Lieblingsbasics – perfekt. Du bist schon fertig. Wenn nicht: sortiere aus. (Zum Beispiel nach der Konmari Methode). Ob Du dabei radikal vorgehst und wirklich nur noch „das Beste“ behälst oder lieber erstmal die klaren Neins aussortierst, das ist Typsache und hängt ja auch ein bisschen vom Budget für Neues ab.
Wenn Dir das Ausmisten jetzt Stresspusteln macht, lass es sein. Dann betrachte Deinen Kleiderschrank erstmal als Klamottenladen und nimm Dir die Teile für Deine Kapsel, die Dir gefallen und behalte den Rest. Ob Du später noch ausmisten willst oder nicht, kannst Du immer noch entscheiden.
Alles was nicht passt, nicht sitzt, juckt oder aus sonst einem Grund nicht glücklich macht, darf ausziehen. (Bitte nicht einfach wegschmeißen – es gibt bessere Möglichkeiten). Falls Du Dich gar nicht lösen kannst; Zwangstragen. Heißt, zieh das Teil 1-2 Tage an. Wenn Du dauernd dran rumzupfst oder Dich nicht wohl fühlst, lass es gehen. Du hast ihm ja noch eine echte Chance gegeben. Es hat Dich positiv überrascht? Dann darf es bleiben.
Achtung: Du musst nicht Deinen Kleiderschrank auf unter 33 Teile reduzieren. Du reduzierst nur auf Dinge, die Dir jetzt wirklich passen, bequem sind und Dich glücklich machen.
Schritt 3: Kapsel planen
Saison
Das ist ein ziemlicher No-Brainer, aber ich sage es trotzdem. Deine Kapsel sollte sich an der wahrscheinlichen Witterung in den nächsten drei Monaten orientieren. Während ich Dir für den Winter defintiv einen dicken Pulli empfehle, tue ich das für den Sommer nicht.
Am unsichersten ist man wahrscheinlich immer bei der Übergangskapsel. Also Frühling und Herbst. Da denke am einfachsten im Zwiebellook und gönne Dir vielleicht ein Teil Oberbekleidung mehr.
Anlässe
Du weißt schon, dass Du auf einer Hochzeit eingeladen bist oder ein Jobinterview hast? Dann plane das direkt in Deine Kapsel rein. Ansonsten ist es erstaunlich, was man auch spontan aus einer Kapsel alles rausholen kann. Denn grundsätzlich deckst Du mit den 33 Teilen alles ab. Beruf, Freizeit und Party.
Da Sportklamotten und der Sofa Look nicht mir reinzählen, musst Du da auch nicht besonders viel mit in Deine Kapsel nehmen.
Farbauswahl
Bevor Du jetzt Deine Kapsel zusammenstellst, musst Du ein bisschen die Grundrichtung festlegen. Ganz klassisch wäre:
- Das weiß Deines Farbtyps
- das „schwarz oder dunkel“ deines Farbtyps
- das blau deines Farbtyps
- und 2-3 Akzentfarbe oder Akzentfarbengruppe. Bei mir in dieser Saison rosa und bordeauxrot und ein Mini bißchen babyblau.
Dir ist das alles zu langweilig? Du willst mehr Farbe? Aber trotzdem alles miteinander kombinieren können? Dann gibt es eine einfache Lösung. Du kannst so kunterbunt werden, wie Du willst. Aber nur bei einer Kleiderkategorie. Also zum Beispiel alle Hosen/Röcke und Oberbekleidung in den Basisfarben und alle T-Shirts und Tops in den Farben des Regenbogens. So lässt sich immer noch alles kombinieren und Du hast Farbe im Leben.
Oder klar, Du lässt es richtig krachen und fokussierst Dich auf Vielfalt. Statt Architektenbunt, nimmst Du zum Beispiel rot als Basisfarbe, oder Senfgelb. Ganz wie du magst. So ziemlich jede Farbe kann eine neutrale Farbe werden. Das sind für deine Kapseln dann eben das Grundgerüst auf dem alles aufbaut.
Schritt 4: Nutze was Du hast – und ergänze, was Du noch brauchst für die perfekte Kleiderkapsel
Jetzt kannst Du Dir nach Deinen Vorgaben aus den Kleidern, die Du nach dem Ausmisten noch hast, die Teile raussuchen, die in Deinen Plan passen. Der Rest kann in andere Bereiche des Schranks wandern. Ich hab gute Erfahrungen damit gemacht, die aktuelle Kapsel aufzuhängen und den Rest in Schubladen zu tun. Theoretisch noch greifbar, stört mich aber im Alltag nicht und bringt mir die Kapsel nicht durcheinander.
Wie viel von was?
Diese Frage ist fast unmöglich zu beantworten. Ich trage im Winter am liebsten Strumpfhose und Kleid, hab dann also meist nur 1 oder 2 Hosen in Nutzung. Dafür trage ich im Sommer gerne lange Leinenhosen. Und damit bin ich dann irgendwie anders als die meisten Menschen.
Also: Was hast Du gerne an? Hosen? Dann nimm Dir 4-5 Hosen in die Kapsel. Magst Du gerne Tops und falls es zu kühl wird eine Weste drüber? Dann nimm Dir 6-7 kurze Tops und zwei kurze und zwei lange Cardigans und wenn Du das gerne trägst einen Blazer. Dazu noch zwei bis drei Blusen und 2 Schals oder Tücher. Außerdem vielleicht 2-3 noch dünnere Longsleves. Jetzt hast Du noch 8 Teile frei für Deine Lieblingsjacke, 2-3 paar Schuhe und Schmuck. Gar nicht Deins? Dann mach es anders. So wie es zu Dir passt. Und wenn Du merkst, das war nicht perfekt, kannst du währendessen oder einfach zur nächsten Kapsel alles besser machen.
Dir fehlen noch ein paar Basics oder es fehlt das Besondere? Dann ist jetzt die Zeit danach zu suchen. Vermutlich weißt Du jetzt aber ganz genau, was Dir noch fehlt. Und nur das besorgst Du.
Schritt 5: Genieße Deine Capsule Wardrobe
Ab jetzt musst Du njur noch genießen. Ein Blick aus dem Fenster, um das Wetter abschätzen zu können und zwei Griffe in den Schrank und Du bist angezogen. Und zwar gut angezogen. Und das ohne darüber nachzudenken. Das hast Du ja vorher gemacht.
Du bist unsicher, wie Du Deine Teile kombinieren kannst? Ich experimentiere seit ein paar Wochen mit der App Cladwell. (leider nur für iOS und wenn Du schnell bist, bekommst Du noch einen kostenlosen Zugriff auf eine Lizenz. Später wird das wohl wieder zum Abo Modell) . Hier kannst Du Deinen kompletten Schrank eingeben. (bei einer Capsule ja schnell erledigt) und die App schickt Dir jeden Tag einen Outfitvorschlag und zeigt Dir auch, welche Teile Du wie oft anhattest. So kannst Du für die nächste Capsule schon wieder etwas lernen.
Alternativ zu Cladwell gibt es auch noch Stylebook, falls Die das mehr liegt. Für Android gibt es auch einige Apps. Ich hab sie nicht ausprobiert, aber Du kannst sie Dir ja mal anschauen. Es gibt zum Beispiel Stylicious oder Smart Closet
Was mir an der Capsule Wardrobe so gut gefällt?
Ich muss nicht mehr nachdenken, mein Schrank ist jetzt intelligent. Und alle drei Monate kann ich (wenn ich will) mit dem Tausch weniger Teile eine komplett neue Garderobe bauen. Und dabei den größten Teil meiner Kleider weiterhin nutzen.
Tatsächlich gehe ich seit der Capsule noch pfleglicher mit meinen Dingen um, hänge eher mal was auf, anstatt gleich zu waschen. Und ich würde jetzt keinesfalls mehr wahllos kaufen. Sondern nur noch ganz bewusst, genau dieses eine Teil, dass meine Kapsel perfekt ergänzt. Alles andere nehme ich gar nicht mehr war. Ein Segen für mich.