FIRE – warum die Rente mit 30 nicht das Ziel ist

von Jana
FIRE warum die Rente mit 30 nicht das Ziel ist

sondern nur ein machtvolles Werkzeug

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Du schonmal was von FIRE gehört hast. FIRE steht für Financial Indepence/Retire Early und ist eine Bewegung, die sich in den 90er Jahren in den USA gebildet hat und so langsam richtig Fahrt aufnimmt. Auch bei uns in Deutschland. Die Bewegung hat eigene Gurus, wie bspw. Pete Adeney aka Mr. Money Mustache, dessen Anhänger sich als „Mustachians“ bezeichnen . Und ja, ich zähle mich selbst zu den glücklichen Mitgliedern des Kults.

Das gemeinsame Ziel?

Worum geht es bei FIRE? (Hier findest Du die Basics) So schnell wie möglich so viel Kapital ansparen, dass man aus den Zinserträgen seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Mit anderen Worten: Die Rente kurz nach der Pubertät. Oder so richtig schön snobby: Privatier sein.

Klingt toll, oder? Nie mehr Arbeiten müssen. Der Traum aller Lottospieler. Und ja, das dachte ich auch. Bis ich gemerkt habe, dass es darum gar nicht geht. Aber der Reihe nach.

Wie für mich alles angefangen hat

Als ich 2016 auf die FIRE Bewegung stieß, war in meinem Leben gerade viel im Umbruch. Ich fing nach der Elternzeit gerade wieder an zu arbeiten. Und musste mich erst an die Tatsache gewöhnen, mein Kind fremd betreuen zu lassen und schwankte zwischen „kein Bock“ und „endlich wieder“ zu arbeiten. Vor allem aber war ich genervt, dass ich „musste“.

Unser Lebensstil hat es schlicht erfordert, dass ich wieder arbeiten ging. Sicherlich in einer absoluten Luxussituation, aber ohne Veränderungen reichte uns ein Gehalt schlicht nicht. Zwei Autos, Hausfinanzierung, die Standleitung zum Online Riesen. Also hab ich meine Blazer entstaubt und bin losgezogen. Einigermaßen genervt.

Yeah – ich muss nicht mehr „MÜSSEN“

Und dann bin ich über FIRE gestolpert und dachte: YEAH – das schafft für mich das „MÜSSEN“ ab. Ich kann frei sein, vom „MÜSSEN“. Das will ich. Und was alle Berichte über die Altersvorsorgelücke und die „Börse vor 8“ nicht geschafft haben, war plötzlich da. Ich habe meinen Hintern hochbekommen und mich mit meinen Finanzen beschäftigt. Denn ich hatte ein Ziel.

Ein Ziel, dass so attraktiv war, dass ich es unbedingt wollte. Und bereit war, mein Verhalten zu ändern. Und das obwohl ich schreckliche Angst vor dem Verzicht hatte. Ernsthaft, ich hatte richtig Schiss.

Veränderung macht auch Angst

Denn ich war so lange ich denken kann ein Shopaholic. Wann immer ich sparsame Phasen hatte, dann aus der puren Not heraus. Während des Studiums zum Beispiel. Und selbst da war meine go-to Lösung nicht sparsam zu sein. Nein, nein. Ich hab mehr gearbeitet oder mir besser bezahlte Jobs gesucht. Nix Ausgaben drosseln. Meine Lösung: Einnahmen erhöhen.

FIRE braucht Konsumverzicht

Doch für FIRE braucht es mehr als nur hohe Einnahmen. Ohne ein gewisses Maß an Konsumverzicht, wird die Sparrate nicht hoch genug. Und das ist überhaupt die Schlüsselgröße für FIRE: deine Sparrate. Willst Du in absehbarer Zeit (sagen wir mal den nächsten 15 – 20 Jahren) in Rente gehen, brauchst Du eine Sparquote von mindestens 50%. Ja, du liest richtig. 50% deiner Einkünfte sparen. Ich weiß, krass. Aber es geht. Es gibt so viele Menschen, die das geschafft haben. Ich wollte es mir selbst beweisen, dass ich es auch schaffe.

Was man nicht alles tut

Also – die Sparquote musste hoch und ich in den sauren Apfel beißen. Also habe ich angefangen alles mögliche zu tun: Haushaltsbuch geschrieben, mein Haus nach KonMarie entrümpelt und Zeug verkauft, Nobuy Challenges gemacht, Versicherungen überprüft, mit dem Fahrrad statt dem Auto gefahren, usw.. Ich habe Frugalismus Blogs gelesen und mich inspirieren lassen. Manche Sachen waren so klein, dass ich mich gefragt habe, ob ich es nicht übertreibe. Zum Beispiel mein Waschpulver selbst herzustellen. Doch die Summe der Kleinigkeiten hat sich schnell summiert. Und statt 0% war die Sparquote innerhalb von 3 Monaten bei 30%. Und innerhalb von 6 Monaten bei fast 50%. Für mich sehr viel anstrengende Arbeit. Vor allem musste ich eine Tonne lästiger Gewohnheiten loswerden. Und doch: Ich hatte es irgendwie hingekriegt. (Ich sage ich, weil ich definitiv das Problem war, mein Mann war immer schon sparsam. Der Streber.)

Du weißt nicht, was Du nicht weißt, bis Du es weißt

Jetzt könnte man meinen, dass ich sauhappy war. War ich auch. Aber nicht weil ich so brav auf das Ziel der finanziellen Unabhängigkeit hingearbeitet hatte. Und die Früchte meiner Furchtlosigkeit ernten konnte. Nö.

Wie ich so in meinem entrümpelten Haus saß, mein Handy und damit jede Shoppingversuchung weit weg, in mir ruhend und vor allem: ganz entspannt im Spiel mit meinem Kind (und ein paar Kieselsteinen!)- da hatte ich die Erkenntnis:

Fuck, das Leben ist tatsächlich besser ohne den ganzen Konsum. Mir geht’s besser. Meinem Kind geht es besser. Und vor allem: Mein Leben ist immer mehr so, wie ich es gerne hätte. Und zwar nicht in 20 Jahren, wenn ich endlich FIRE erreiche, sondern HEUTE.

Wenn das Ziel ein glückliches Leben ist, dann muss der Weg das Ziel sein

Aber war nicht das Ziel FIRE zu erreichen? Eigentlich schon. Aber tatsächlich haben nur die Methoden, die mir dabei helfen sollten irgendwann mal vielleicht finanziell unabhängig zu werden, dafür gesorgt, dass ich JETZT glücklicher war.

Warum? Weil ich mich bei all dem Sparen immer wieder gefragt habe: Was ist so wichtig, dass ich es auf keinen Fall aufgeben will? Was ist so wichtig, dass ich sogar etwas länger warten würde, um FIRE zu erreichen?

Für mich ist zum Beispiel Zeit mit der Familie und mit Freunden. Zeit für Bewegung im Alltag. Zeit um neues zu Lernen oder neue Erfahrungen zu machen. Es ist nicht die 7. Handtasche. Und auch nicht das 37. Paar Schuhe. Es ist kein neues Handy.

Und weißt Du was: Die meisten dieser wichtigsten Dinge sind kostenlos. JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA! Die gibt es für lau. Oder sie sind eine Frage der Organisation. Und alles was ich dafür brauche ist: jep. Fokus. Ich muss mich entscheiden, was mir wichtig ist. Und kann dann dafür sorgen, dass ich es auch bekomme. Dafür muss ich nur den ganzen anderen Mist, der nicht wirklich wichtig ist, loslassen. Sein lassen. Nicht mehr betreiben.

Das Ziel ist Glück. Geld hilft. Fokus auf das Wesentliche hilft mehr.

Aber was genau bedeutet das?

Zum einen, dass das Ziel nicht finanzielle Unabhängigkeit ist, sondern ein glückliches, sinnvolles Leben zu führen. Aber nicht irgendeines. MEIN Leben. Und dafür brauche ich zwei Dinge:

Erstens: Wissen, was mir wirklich wichtig ist. Ich habe eine Art innere Top 10. Ich weiß, was für mich essentiell ist. Das war ein Stückchen Arbeit die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber es geht mit ein paar kleinen Kniffen. Dazu schreibe ich sicher bald was.

Zweitens: Achtsamkeit im Alltag oder eben FOKUS. Damit die Dinge, die es nur auf die Top 87 schaffen, mir nicht die Zeit für meine Top 10 wegnehmen. Denn genau das ist das, was häufig passiert. Ich beschäftige mich mit etwas, das „ganz nett“ ist, und verbringe deswegen weniger Zeit mit Dingen die „wesentlich“ sind. Also ist mein Leben eben auch nur ein bisschen so, wie ich es gerne hätte. Und nicht genau so wie ich es wirklich gerne hätte. Blöd. Denn knapp daneben ist halt auch vorbei.


Du willst es konkreter? – FIRE hat mir eine neue Art zu Denken beigebracht

Beispiel 1: Zwei Fliegen mit einer Klappe

Ob zur Arbeit, Einkaufen oder in den Urlaub. Irgendwie muss ich von A nach B kommen. Und mein innerer Hamster hätte gerne ein schickes, großes neues Auto. Das kostet aber ein Haufen Geld. Geld, dass ich nicht ausgeben möchte. Jedenfalls nicht für ein Auto. Gleichzeitig hätte ich gerne mehr Zeit für Sport. Im Alltag mit Kleinkind manchmal so wahrscheinlich wie ein 6er im Lotto. Die Lösung: Ein Auto verkaufen, zwei E-Bikes kaufen (mein Mann darf auch eines haben. Da bin ich nicht so.), und im Zweifelsfall die S-Bahn nutzen. Ich hab Bewegung, bin weniger gestresst und wir sparen hunderte von Euro jeden Monat an Versicherungs-/Steuer-/Verschleiß- und Tankkosten. Und für die Umwelt ist es auch besser. How very mustachian.

Beispiel 2: Zeit für meine Prioritäten

Ich habe mich geärgert, dass ich keine Zeit hatte, Sachbücher zu lesen. Dabei war mir das wichtig. Lesen war in meiner Liste also vielleicht auf Position 9. Ich wollte etwas neues lernen, hatte auch ein paar konkrete Probleme, für die ich Lösungen gesucht habe. Aber, ich hatte einfach keine Zeit. Hab ich mir eingeredet.

Tatsächlich lief aber abends jeden Tag der Fernseher. Über Stunden. Fernsehern war vielleicht auf Position 398. Unwichtig. Mehrwert geht gegen null. Die Lösung: Fernsehen weglassen. Jetzt habe ich Zeit für die Bücher und bin tatsächlich glücklicher. Und ein netter Nebeneffekt: Ich gehe tatsächlich ins Bett, wenn ich müde bin. Und damit sind meine Tage besser. Ganz einfach. Und hat mich genau 12 € gekostet. Der lokalen Leihbücherei sei Dank.

Weg und Ziel werden zu einer Einheit

Wenn Du genau darüber nachdenkst, ist FIRE ein leeres Ziel. FIRE gibt Dir Möglichkeiten. Aber welche Möglichkeiten DEIN Leben reicher machen, das kann FIRE Dir nicht sagen.

An dieser Stelle schließt sich der Kreis. Du wirst FIRE wahrscheinlich nicht erreichen, wenn Du Dir nicht diese Frage stellt: Was ist mir so wichtig, dass ich akzeptiere, FIRE erst später zu erreichen? Und was ist es eben nicht? Und damit gibst Du Dir auch gleichzeitig die Antwort auf die Frage: „Was ist mir wirklich wichtig im Leben?“

Essentialismus bringt den Weg und das Ziel zusammen. Und am Ende sieht Dein Leben vielleicht schon weit vor der Erreichung des Ziels genau so aus, wie Du es Dir wünscht.

Dann bleibt Dir nur noch die Aufgabe, alle Entscheidungen Deines Lebens darauf ausrichten, ob es Dich näher an dieses ideale Leben heranbringt oder eben nicht. Indem Du Geld sparen kannst, damit Du später etwas umsetzen kannst. Oder indem Du Dein Leben so veränderst, dass es heute schon mehr dem Ideal entspricht. Die Inspiration dafür, was Du tun kannst, liefert Dir die FIRE Community. Und ein paar Gurus findest Du direkt hier drunter verlinkt. Viel Spaß beim Stöbern.


Einige Lieblingsbloggs zum Thema:

  • Der Finanzwesir ist sicherlich eine der bekanntesten deutschen Blogger – und immer einen Besuch wert. Bei ihm kann man auch lernen, wie man selbst investieren kann.
  • You can Afford Anything – But not Everything. Der Name des englischsprachigen Blogs ist Programm.
  • Chosse FI ist einer der bekannteren amerikanischen Blogs – englisch!
  • Reich mit Plan ist ein deutscher Blogger, der es schon geschafft hat. Mit einer Dividenstrategie.

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