Wenn ich Menschen erzähle, dass ich an einem Blog zum achtsamen Konsum arbeite, dann schau ich oft in strahlende und interessierte Gesichter. Total spannend das Thema. Die Unterhaltung läuft gut. Und nach ein paar Minuten Gespräch kommt dann raus, dass wir die ganze Zeit aneinander vorbei reden.
Der eine meint mit achtsamem Konsum ökologische Alternativen, der nächste Minimalismus, der dritte Frugalismus (Sparen als höchstes Prinzip) und der vierte meint ich meditiere beim Möbelschweden auf dem Sofa, bevor ich zur Kasse gehe.
Alles nicht ganz falsch, aber so alleine auch nicht ganz richtig.
Müsste ich „Achtsamen Konsum“ in einem Elevator Pitch verkaufen, würde ich vermutlich sagen: „Achtsamer Konsum – das ist Deine Antwort auf diese Fragen:
Was macht mein Leben heute zu einem sinnvollen Leben für mich?
Was brauche ich WIRKLICH, um dieses Leben zu führen? Und wie viel davon?
Wenn ich etwas konsumieren muss oder will, gibt es Alternativen, die die Welt besser machen als sie bisher war?
Deine Antworten im Alltag zu leben, das macht Dich zu einem achtsamen Konsumenten. “
In diesen Fragen steckt viel drin. Achtsamer Konsum glaubt an die heilende Wirkung des „Weniger“. Und daran, dass was wir tun einen Einfluss auf unsere Umwelt hat. Achtsamer Konsum ist aber viel mehr. Denn er fängt nicht im Außen an. Sondern im Innen. Bei Dir. Und hilft Dir dabei, das was Dir wichtig ist, auch im Außen zu verändern. Das wichtigste Mittel um das zu schaffen: Achtsamkeit. Sonst läuft nix.
Was ist ein sinnvolles Leben für Dich?
Bevor Du Dir Gedanken über Kaufen oder Nicht-Kaufen machst, musst Du erstmal wissen, was Du willst. Wirklich willst. Stell Dir darum diese Fragen:
- Was würdest Du mit Deiner Zeit anfangen, wenn Geld keine Rolle spielen würde, weil einfach immer genug davon da ist?
- Mit wem würdest Du sie verbringen?
- Womit würdest Du sie verbringen?
- Wo würdest Du Deine Zeit verbringen?
- Würdest Du Dich für etwas einsetzen? Für was?
- Wie würde ein idealer Tag aussehen? Was tust Du? Und was tust Du nicht?
- Was macht Dich glücklich?
- Wie sieht ideales Dein Leben aus?
Die Antwort darauf, ist Dein „Warum“. Hier geht es nicht um Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeiten. Auch nicht, um so etwas wie eine Berufung (die habe ich beispielsweise auch nicht). Sondern um Werte oder Charaketereigenschaften. Um die Dinge, die ganz oben auf Deiner Prioritäten Liste stehen. Das Siegertreppchen Deines Lebens.
Wenn Du diese Werte erkennst, dann packt Dich das. Dann möchtest Du möglichst viel Zeit und Energie darauf verwenden sie in deinem Leben heute Wirklichkeit werden zu lassen. Und all das nicht mehr betreiben, was Dich Deinem Warum nicht direkt näher bringt. Das kannst Du loslassen. Weglassen. Dich frei machen. Klingt gut, oder?
Und das Weglassen ist auf einmal auch ganz einfach. Weil Du unbedingt dahin möchtest, dass Dein Leben JETZT möglichst nahe an Dein Ideal ran kommt. Also stell es Dir vor, Dein ideales Leben. In allen Einzelheiten. Riech es, schmeck es, dreh die Farben auf.
Und dann frage Dich, was davon Du heute schon haben kannst. Und was Du tun musst, damit es Deine Realität wird. Schreib das auf, plane und setze um. Du wirst überrascht sein, was ohne großen Aufwand möglich ist.
Das leitende Prinzip ist immer dasselbe: Achtsamkeit. Beim erträumen Deiner Vision, aber auch um Dich im Alltag daran zu erinnern. Achtsamkeit hilft Dir dabei ungemein. Denn um Dich rum schreit ständig alles um Deine Aufmerksamkeit. Eine Achtsamkeitspraxis, egal wie sie aussieht, verbindet Dich immer wieder mit diesem inneren Bild. Und hilft Dir den Autopiloten abzuschalten und bewusste Entscheidungen zu treffen.
Deine Werte, deine Vision und Achtsamkeit im Alltag formen die Basis des achtsamen Konsums.
Was brauchst Du WIRKLICH um dieses Leben zu führe?
Es klingt so banal und doch fällt es uns oft schwer. (Ja, mir auch!) Die Unterscheidung zwischen Dingen, die ich wirklich brauche und Dingen, die nur Hintergrundrauschen verursachen. Mich ablenken. Dabei ist im Grunde nur eine Frage wichtig: Brauche ich es, um mein ideales Leben zu leben? Zahlt etwas direkt darauf ein, dass ich mein sinnvolles Leben, leben kann? Und wenn ja, wie viel davon ist genug?
„Lagom“ – Das richtige Maß finden
Bei der Frage, was ich nun wirklich konsumieren will und was nicht, dreht sich alles um das richtige Maß.
Zuviel führt zu Überreizung, verschlechterter Konzentration. Aber vor allem, nimmt es uns Platz, Energie und Fokus, um uns auf die Dinge zu konzentrieren, die uns wirklich wichtig sind.
Ein Beispiel: In meinem Bild eines sinnvollen Lebens verbringe ich sehr viel Zeit mit meiner Familie, meinen Freunden. Und gar keine mit der Auswahl von Klamotten. In keiner Sekunde spielt das eine Rolle in meinem „erträumten“ Tagesablauf. Tatsächlich habe ich aber lange erschreckend viel Zeit genau damit verbracht. Der Outfit Planung.
Weil ich einfach zu viele hatte. Und die meisten Teile habe ich noch nicht mal getragen. Ihre einzige Aufgabe war es wohl, den Blick auf meine Lieblingsteile zu versperren und die Lücken im Schrank zu füllen. Das Gefühl „nichts zum Anziehen zu haben“, das war permanent. Besonderer Anlass? „Oh, ich muss einkaufen gehen.“ Hab nix passendes. Ein wichtiges Meeting? „Ich probiere lieber alle Kombis durch. Um sicherzugehen“ Und hab oft am Ende doch die weiße Bluse mit dem schwarzen Blazer angezogen. Viel Zeit und hinten ist nichts bei rumgekommen. (Heute nähere ich mich einer Capsule Wardrobe, das Problem ist also weitestgehend gelöst – yippieh!).
Zuviel macht uns unkonzentriert, fahrig, konfus. Das will keiner. Und trotzdem: Die meisten von uns befinden sich in einem Zustand des „Zuviel“.
Aber auch zu wenig kann negative Folgen haben. Ich kenne einen Frugalisten (das sind die radikalen Sparfüchse), für den eine Einladung eines lange nicht gesehenen Freundes in ein Lokal ein Aufreger ist. Weil er so viel Geld für den Restaurantbesuch nicht ausgeben will. Auch nicht ausnahmsweise. Hier steht das Prinzip „Sparen“ über dem Kontakt zu einem Menschen, den man mag. Ob das das Leben bereichert? Ich habe meine Zweifel. (Ich spreche hier von einem einmaligen Restaurantbesuch).
Tatsächlich finden sich einige Erfahrungsberichte im Netz, dass man es auch mit dem „weniger ist mehr“ übertreiben kann. Und sich soweit einschränken, dass vor allem auch psychologische Grundbedürfnisse nach Kontakt mit anderen nur noch eingeschränkt möglich sind. Und sowas wie eine depressive Verstimmung die Folge ist. Möchte ich nicht haben. Du vermutlich auch nicht, oder?
Glücklich, so scheint es, sind wir Menschen an einem zauberhaften Ort. Dem Ort namens „genug“. Die Schweden haben sogar ein eigenes Wort für dieses perfekte Maß. „lagom“ – nicht zuviel, nicht zu wenig. Eben genau richtig. Was genau das richtige Maß ist, das ist meiner festen Überzeugung nach sehr individuell. Und eben keine einfache Antwort nach dem Motto „eine Antwort passt für alle“. Du musst für Dich herausfinden, was für Dich „lagom“ ist.
Die Balance finden zwischen Egoismus und Altruismus
Wenn Du weißt, was Dir im Leben wichtig ist und im Alltag erkennen kannst, was DU wirklich brauchst, dann kannst Du die Frage OB Du kaufst schon beantworten. Und wenn es Dir nur so ein bisschen geht wie mir, dann wird Dich das befreien. Und Dich näher zu Dir selbst bringen.
Und oft ist das dringend nötig. Viele von uns haben das verlernt. Sind ständig für andere da. Sind mit dem Außen beschäftigt und vergessen sich selbst. Wieder zu lernen, dass es Dir selbst gut gehen kann und darf, das ist wichtig. Sei achtsam mit Dir selbst.
Wenn Du (wieder) in Deiner Kraft bist, und Dich und Deine Bedürfnisse spüren kannst, dann geht es Dir vielleicht so wie mir. Nach einiger Zeit stellt sich das Bedürfnis ein, wieder mehr geben. Etwas für andere tun oder etwas bewegen. Weil Du es kannst. Und weil es Teil Deines sinnvollen Lebens ist.
Diese Balance, der Ausgleich zwischen Egoismus und Altruismus, das macht den dritten Bestandteil eines Lebens als achtsamen Konsumenten aus. Und absichtsvoller Konsum, ist eine Möglichkeit diese Balance zu schaffen.
Absichtsvoller Konsum-sozial, politisch, nachhaltig, gemeinschaftlich organisiert
Mit absichtsvollem Konsum kannst Du auch das WAS und WIE Du kaufst beantworten. Eben die Frage: „Gibt es bessere Alternativen?“ Und klar, die gibt es:
- Alternative Produkte. Wir alle müssen Essen und wir alle brauchen Kleidung. Den Bedarfs kannst Du beim Discounter oder Fast Fashion Anbieter jederzeit decken. Oder Du entscheidest Dich für Alternativen. Für „green fashion“, verpackungsfreie Produkte, lokale Produkte, vegan, fairtrade oder eben andere Faktoren, die für Dich wichtig sind. Oder Du entscheidest Dich bewusst für bestimmte Anbieter, zum Beispiel Deinen lokalen Buchhandel, statt dem Online Riesen. Weniger Konsum ist meiner Meinung nach der größte Hebel, wenn es um Umweltschutz geht. Aber das Tüpfelchen auf dem i kann eben sein, alternative Produkte zu kaufen.
- Reuse, Recycle, share. Statt neue Produkte zu kaufen, kannst Du auch Second Hand kaufen oder sogar tauschen. Klar, Möbel und Kleidung aus der „Stuff Cloud“ – da machen das schon viele. Aber auch Dienstleistungen. Zum Beispiel Babysitting gegen Nachhilfe.Nicht jeder in der Reihenhaussiedlung braucht eine eigene Bohrmaschine, es recht, wenn einer eine hat, die man sich leihen kann Dafür hat der Nachbar vielleicht einen Rasentrimmer. Die Angebote werden vielfältiger und vieles gibt es auch außerhalb von Großstädten. Sei es Carsharing oder selbstorganisierte Spielzeugbüchereien.
- Gemeinsam etwas aufbauen. In den letzten Jahren gibt es noch einen weiteren Trend: Genossenschaften, die gemeinsam Produzieren. Das gibt es schon eine Weile für Energie (EWS Schönau), aber auch für bspw. Lebensmittel. (In München zum Beispiel das Kartoffelkombinat ). Aber auch genossenschaftlich organisierte Netzwerke für die alternative Wirtschaft/Gemeinwohlökonomie. Gerade in den Startlöchern in meiner Nähe ist Transition Muc . Das tolle daran: Du bist nicht nur ein Einkäufer, sondern Teil einer Gemeinschaft und kannst Dich, wenn Du möchtest engagieren. (Teil einer Gemeinschaft zu sein, das ist übrigens ein wichtiger Faktor für uns Menschen, uns glücklich zu fühlen. Also ein Win-Win-Win.)
Und bevor Du jetzt genervt die Augen rollst (ja, das machen Menschen manchmal, wenn ich von alternativem Konsum erzähle) . DU entscheidest, ob diese Alternativen auf Deine Werte einzahlen und ob Du diesen Themen zum jetztigen Zeitpunkt Priorität einräumst oder nicht. Und es ist total ok, wenn die Antwort „nö“ ist. Im Gegenteil. Wenn Du Dich dazu zwingst irgendetwas zu tun, was nicht aus Dir selbst heraus kommt, wirst Du es nicht lange durchhalten. Aber wir wollen ja ein Leben für Dich bauen, dass HEUTE schon so nahe wie möglich an Deinem Ideal ist. Also quäle Dich nicht. Es ist entweder ein „hell, yes!“ oder ein „hell, no!“.
Egal was Du tust, tu es aus Selbstliebe.
Achtsamer Konsum ist mehr als ein bisschen anders shoppen.
Die Beispiele in diesem Artikel haben (fast) alle mit dem Thema Kaufen oder Besitzen zu tun. Tatsächlich ist achtsamer Konsum für mich weit mehr.
Achtsamer Konsum ist eine Haltung. Und die geht weiter über Kaufmuster oder Kaufentscheidungen hinaus. Du kannst Dir theoretisch alles leisten. Aber nie alles gleichzeitig. Und es ist auch nicht alles gleich gut für Dich. Das gilt für Kaufen und Geld ausgeben genauso, wie für alle anderen begrenzten Ressourcen. Wie beispielsweise Deine Zeit und Deine Energie. Du kannst nicht alles gleichzeitig in der gleichen Intensität tun. Die Entscheidung für etwas, ist auch immer eine Entscheidung gegen etwas anderes.
Zu lernen, Deine begrenzten Ressourcen so einzusetzen, dass Dein Leben glücklich, sinnvoll und reich ist, das ist eine Lebensaufgabe.
Lass uns anfangen.